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„Umgraben“: Wenn ein Friedhof zur Bühne gesellschaftlicher Konflikte wird

17.12.2025

Mit der Uraufführung der Neuburgenländischen Kammeroper „Umgraben“ feierte im Offenen Haus Oberwart ein außergewöhnliches Musiktheaterprojekt Premiere. Das Werk basiert auf einem Libretto der Autorin Michaela Frühstück und wurde von Klaus Lang vertont. Als burgenländisches Singspiel für drei Sängerinnen, Streichquartett, Holzbläser und Harmonium verbindet „Umgraben“ lokale Thematik mit überregionaler gesellschaftlicher Relevanz – humorvoll, kritisch und überraschend vielschichtig.

Im Zentrum der Handlung steht das fiktive burgenländische Dorf Umgraben. Dort plant der Bürgermeister, den Friedhof ohne Gemeinderatsbeschluss umzuwidmen, um Platz für ein Fachmarktzentrum, einen Parkplatz und Wohnungen zu schaffen. Ein klarer Fall von Amtsmissbrauch – und ein massiver Eingriff in die Identität der Dorfgemeinschaft. Widerstand regt sich vor allem bei zwei Frauen: der Bestatterin und der Wirtin, deren Existenzen unmittelbar bedroht sind. Zwischen Drohungen, nächtlichen Treffen am Friedhof und einer skurrilen Wendung rund um den verschwundenen Dackel des Bürgermeisters entwickelt sich eine turbulente Geschichte, die zwischen Groteske und bitterem Ernst pendelt.

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Der Friedhof als Spiegel der Gesellschaft

Autorin Michaela Frühstück versteht den Friedhof als zentralen Schauplatz – nicht nur als Ort der Toten, sondern vor allem als Ort der Lebenden. Für sie ist er ein Raum der Begegnung, der Kommunikation und der Solidarität. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück. Gleichzeitig wird der Friedhof zum Symbol für gesellschaftliche Werte, für Tradition und für den Umgang mit Macht. Besonders deutlich wird dabei die feministische Perspektive des Werks: Die Frauenfiguren treten solidarisch auf, stellen sich gegen autoritäre Strukturen und verweigern sich der jahrhundertealten Rolle der Konkurrenz.

Musik zwischen Alltag und Transzendenz

Die Musik von Klaus Lang schafft eine besondere Atmosphäre. Alltagssprache trifft auf eine reduzierte, fein nuancierte Klangsprache, die zwischen Realität und metaphysischer Ebene vermittelt. Surreale Elemente, Stimmen aus dem Jenseits und überzeichnete Alltagssituationen erzeugen einen Spannungsbogen, der das Publikum zugleich zum Lachen und zum Nachdenken bringt. Die musikalische Zurückhaltung verstärkt die Wirkung des Textes und lässt Raum für Interpretation.

Visuelle Umsetzung und Regiekonzept

Für die Regie zeichneten Valentina Himmelbauer und Teresa Schmid verantwortlich. Sie teilten das Geschehen konsequent in Diesseits und Jenseits und machten diese Ebenen auch visuell erfahrbar. Das Bühnenbild von Edith Peyer, erstmals als Installation konzipiert, arbeitet mit starken Symbolen: Kreisverkehr, Kreuz, Hashtag und Venuszeichen verschmelzen zu einer vieldeutigen Bildsprache. Leichte Schwimmreifen ersetzen schwere Autoreifen und verleihen der Inszenierung eine spielerische, fast kindliche Note – ein bewusster Kontrast zur politischen Schwere des Themas.

Positive Resonanz und kulturelle Bedeutung

Die Premiere und die folgenden Aufführungen waren gut besucht und stießen auf große Resonanz beim Publikum. Gelobt wurden vor allem die experimentelle Musik, das durchdachte Bühnenbild und die gelungene Balance zwischen Humor und Gesellschaftskritik. „Umgraben“ zeigt eindrucksvoll, wie Musiktheater lokale Geschichten nutzen kann, um universelle Fragen nach Macht, Gemeinschaft, Verantwortung und Zusammenhalt zu stellen.

Als Eigenproduktion im OHO Oberwart steht das Stück exemplarisch für lebendigen kulturellen Austausch im Burgenland. Es beweist, dass zeitgenössisches Musiktheater relevant, zugänglich und zugleich tiefgründig sein kann – und dass selbst ein Friedhof zum Ort neuer Perspektiven wird.


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