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Gewalt erkennen – Wege aus toxischen Beziehungen

11.12.2025

Die Initiative 16 Tage gegen Gewalt an Frauen rückt jedes Jahr ein Thema in den Mittelpunkt, das viele Menschen betrifft, aber oft im Verborgenen bleibt: Gewalt in Beziehungen. Zum Abschluss der diesjährigen Aktionswochen war die Profilerin und Verhaltensexpertin Patricia Staniek zu Gast im Radio-MORA-Studio. Sie spricht seit vielen Jahren über Gewaltprävention und begleitet Betroffene beim Ausstieg aus toxischen und gefährlichen Beziehungen.

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Im Gespräch mit Liza Hausmann-Farkas gibt sie Einblicke in ihre Arbeit, erklärt typische Dynamiken und beschreibt, wie Betroffene unterstützt werden können.

Wenn Gewalt schleichend beginnt

Toxische Beziehungen entstehen nicht plötzlich. Nach Einschätzung von Patricia Staniek wirken sie am Anfang oft harmlos. Viele Täter zeigen zu Beginn intensives Werben und Aufmerksamkeit, das sogenannte Love Bombing.

„Diese Männer registrieren sehr schnell, was eine Frau braucht, und sie füttern das. Die Frau fühlt sich bewundert und achtet nicht auf die Red Flags“, sagt Staniek.

Erst später entwickeln sich emotionale Abhängigkeiten. Komplimente und Zuneigung wechseln sich mit Liebesentzug ab. Für Betroffene entsteht ein Muster aus Hoffnung, Anpassung und zunehmender Unsicherheit. Nach Einschätzung der Expertin geraten viele Frauen dadurch in eine Spirale, aus der sie ohne Hilfe kaum herausfinden.

Mut stärken, Verantwortung zurückgeben

In ihrer Beratung legt Staniek Wert darauf, Frauen nicht zu bevormunden. Im Zentrum steht, dass Betroffene wieder Verantwortung für ihr Leben übernehmen und eigene Handlungsmöglichkeiten erkennen. Sie arbeitet mit offenen Fragen, um Ressourcen sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu öffnen.

Ein Beispiel beschreibt sie besonders eindrücklich: Eine Frau, die 15 Jahre Gewalt erlebt hatte, erkannte im Gespräch erstmals eigene Stärken wie Mut, Ausdauer und Durchhaltevermögen.

„Was diese Frauen wieder lernen, ist Mut. Mut für eine Entscheidung, Mut für die Zukunft und Mut, sich selbst wieder zu vertrauen.“

Die Frau fand später einen sicheren Ausstieg, absolvierte eine Umschulung und gründete ein eigenes Unternehmen. Solche Wege seien möglich, betont Staniek, wenn individuelle Unterstützung, Schutz und fachliche Begleitung zusammenkommen.

Hohe Dunkelziffer und großes Informationsbedürfnis

Laut aktuellen Studien erlebt in Österreich jede dritte Frau zwischen 18 und 74 Jahren körperliche oder sexuelle Gewalt. Die Dunkelziffer sei jedoch weit höher, so Staniek. Viele Betroffene suchen still Hilfe oder trauen sich nicht, den ersten Schritt zu gehen.

Anfragen kommen täglich – nicht nur bei ihr, sondern auch bei Kolleginnen in der Phoenix Task Force, einem Netzwerk, das kostenlose juristische Erstberatung, Sicherheitsstrategien und Unterstützung beim Ausstieg anbietet.

„Eine Frau muss nicht einmal ihren Namen sagen, wenn sie anruft“, betont Staniek.

Der gefährlichste Ort für eine Frau sei nach wie vor die eigene Beziehung oder Familie. Umso wichtiger sei Prävention, Aufklärung und gesellschaftliches Bewusstsein.

Schutz braucht klare Strukturen

In vielen Fällen wird Gewalt erst sichtbar, wenn Trennungsgedanken entstehen. Dann entsteht beim Täter oft Kontrollverlust – und damit besondere Gefahr. Um Frauen zu schützen, unterstützt die Phoenix Task Force mit rechtlicher Beratung, Beweissicherung und organisatorischer Hilfe. Dazu gehört gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit Polizei, Behörden oder Einrichtungen wie Frauenhäusern.

„Man muss jeden Fall genau anschauen und eine gute Strategie entwickeln“, sagt Staniek. Ein gerichtsfestes Gutachten sei oft ein entscheidender Schritt, um Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Politisch und gesellschaftlich braucht es aus ihrer Sicht vor allem Vorbilder, klare Rollenbilder und frühe Prävention. Familien, Kindergärten und Schulen spielen dabei eine wesentliche Rolle.

Profiling im Alltag

Neben ihrer Arbeit in der Gewaltprävention ist Staniek ausgebildete Kriminologin und Verhaltensexpertin. Sie arbeitet mit Methoden der Mimik- und Verhaltensanalyse und wendet diese sowohl im Bereich Wirtschaftskriminalität als auch bei Fällen häuslicher Gewalt an. Dabei analysiert sie sichtbares Verhalten, Körpersprache, Stimme, Stresssignale und situative Muster.

Sie betont jedoch, dass ihr Profiling nichts mit Fernsehserien zu tun habe. Es gehe nicht um Tatorte, sondern um Verhaltensdynamiken und Entscheidungsprozesse – und darum, Menschen besser zu verstehen.

Gewalt bleibt ein gesellschaftliches Problem

Die vielen Fragen, die sie im Burgenland erhalten hat, bezogen sich vor allem auf Prävention. Häufig fragten Frauen „für eine Freundin“. Das sei ein Hinweis auf Scham und Unsicherheit. Oft gehe es nicht um körperliche, sondern um psychische oder digitale Gewalt.

Die Expertin macht deutlich: Gewalt darf kein Tabuthema sein. Die 16 Tage gegen Gewalt sind ein wichtiger Impuls. Doch die Arbeit beginnt erst danach – im Alltag, in Familien und in der gesamten Gesellschaft.


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