Ein Denkmal für Menschlichkeit – Oberpullendorf ehrt Baron György Gedeon Rohonczy
05.11.2025
Am vergangenen Sonntag wurde in Oberpullendorf ein Denkmal enthüllt, das weit über die Region hinaus Bedeutung hat. Es erinnert an Baron György Gedeon Rohonczy, einen burgenländischen Adligen, der während der NS-Zeit mehr als hundert Roma und Romnja vor der Deportation und dem Tod rettete. Das Denkmal vor der Bezirkshauptmannschaft ist das erste seiner Art in Europa – gewidmet einem „Retter der Roma“.
In seiner Begrüßungsrede sprach Nikolaus Dominkovits, Vizebürgermeister von Oberpullendorf (SPÖ), von einem historischen Moment: „Heute wird ein in Europa einzigartiges Denkmal einem Mitterpullendorfer, nämlich Baron György Gedeon Rohonczy, enthüllt – dem Oskar Schindler von Oberpullendorf.“
Rohonczy, der aus einer ungarischen Adelsfamilie stammte, nahm während des Zweiten Weltkriegs etwa 120 Roma, Männer, Frauen und Kinder, aus dem Sammellager Lackenbach auf seinen Gutshof in Mitterpullendorf auf. Offiziell galten sie als Arbeitskräfte, tatsächlich aber bot er ihnen Zuflucht, Unterkunft und Nahrung – und damit Schutz vor der Verfolgung durch das NS-Regime.
Das Denkmal, entworfen von Andreas Lehner, wurde anlässlich des 50. Todestages des Barons errichtet und soll nicht nur an ihn, sondern auch an die Roma und Romnja erinnern, die Opfer des Holocaust wurden.
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Erinnerungen an einen stillen Helden
Der Historiker Alexander Karazman, der die Geschichte Rohonczys erforschte und dokumentierte, nannte ihn „einen großen Sohn dieser Gemeinde“. Auch Zeitzeugen erinnerten sich an den Baron als einen gütigen, bescheidenen Menschen. „Wir spürten schon als Kinder, dass dieser Mann freigiebig und sehr menschlich war“, erzählte ein älterer Dorfbewohner. „Was wir damals nicht wussten: Drei Jahrzehnte zuvor hatte er vielen Menschen das Leben gerettet.“
Die Tochter des Barons, Eva Mayer-Rohonczy, sprach in bewegenden Worten über ihren Vater: „Was mein Vater in den Kriegsjahren getan hat, war mir als Kind nicht bewusst. Er sprach nie darüber. Menschlichkeit war für ihn kein Prinzip, sondern Teil seines Wesens. Dass heute ein Denkmal steht, berührt mich tief – nicht, weil es ihn ehrt, sondern weil es zeigt, dass Menschlichkeit weiterwirkt in dem, was wir erinnern und in dem, was wir tun.“

Ein Zeichen für Erinnerung und Verantwortung
An der Enthüllung nahmen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgemeinde, der Roma-Volkshochschule Burgenland und des Mittelburgenländisch-Ungarischen Kulturvereins teil. Für die musikalische Gestaltung sorgte die Leon Berger Band aus Oberwart.
Herwig Wallner von der Roma-Volkshochschule betonte die Bedeutung des Denkmals für die gesamte Gesellschaft: „Es gab damals nur wenige Menschen, die angesichts der Gefahr bereit waren, anderen zu helfen – und noch seltener, dass jemand sich für Roma einsetzte. Dieses Denkmal ist kein Denkmal für Roma, sondern für uns alle. Es zeigt, was Zivilcourage bedeutet.“
Auch Landtagsabgeordneter Jürgen Karall (SPÖ), der im Auftrag des Landeshauptmannes sprach, hob die symbolische Bedeutung hervor: „Genau hier, vor dem Gebäude, in dem einst Deportationsbefehle bearbeitet wurden, steht nun ein Zeichen der Menschlichkeit. Das ist ein starkes Signal – aus Stein, aber auch aus Verantwortung.“

Erinnerung als Auftrag
Anita Dumfahrt, Generalsekretärin des Zukunftsfonds der Republik Österreich, erinnerte daran, dass rund 500.000 Roma und Sinti Opfer des nationalsozialistischen Terrors wurden. „Die Förderung von Projekten, die an den Genozid an Roma und Romnja erinnern und gegen Antiziganismus wirken, ist uns ein großes Anliegen“, sagte sie. „Dass hier ein solches Denkmal entsteht, ist ein Meilenstein für die Erinnerungskultur in Österreich.“
Das Denkmal, ein großer Basaltstein mit einer Gedenktafel und dem Porträt des Barons, steht nun neben dem Mahnmal für die ermordeten Roma von Lackenbach. Es soll künftig nicht nur Ort des Gedenkens, sondern auch ein Ort des Lernens und der Begegnung sein – besonders für Schulen und Jugendgruppen.

Der Mut eines Einzelnen
Baron Rohonczy mochte Musik, spielte Geige und stand in engem Kontakt mit Roma-Musikern. Diese Menschlichkeit überdauerte Jahrzehnte – auch in den Erzählungen der Geretteten und ihrer Nachkommen. „Dieses Denkmal macht deutlich, dass Menschlichkeit auch in einem System möglich war, das ausgrenzte und vernichtete“, sagte Bürgermeister Johann Heisz (ÖVP) in seiner Ansprache. „Es ist ein Signal gegen das Vergessen – und für die Zukunft.“
Nach der Enthüllung wurde die Ausstellung „Roma-Retter“ in der Aula des Kindergartens Oberpullendorf eröffnet, die Rohonczy und andere mutige Helfer porträtiert. „Frieden schließen mit der Vergangenheit heißt nicht, den Mantel des Schweigens darüber zu legen“, sagte Heisz zum Abschluss. „Erinnerung bedeutet Verantwortung – jeden Tag aufs Neue.“



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