Töpfern in Peingart: 8000 Jahre Geschichte zwischen Ton, Händen und Ideen
04.11.2025
Im Oktober wurde Baumgarten zum Treffpunkt für kreative Hände und neugierige Köpfe. Beim Workshop „Töpfern in Peingart“, organisiert von der Gemeinde Baumgarten und dem Kulturverein Peingart 77, kamen Menschen jeden Alters zusammen, um sich mit Ton, Form und Geschichte zu beschäftigen.
Im Oktober wurde Baumgarten zum Treffpunkt für kreative Hände und neugierige Köpfe. Beim Workshop „Töpfern in Peingart“, organisiert von der Gemeinde Baumgarten und dem Kulturverein Peingart 77, kamen Menschen jeden Alters zusammen, um sich mit Ton, Form und Geschichte zu beschäftigen.
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Leiter des Workshops war Fritz Wagner, Keramiker, ehemaliger Lehrer an der Keramikschule Stoob und derzeit im Landesmuseum Burgenland tätig. Für Kinder leitete Ela Thurner den Kurs spielerisch an – mit Spaß, Geduld und der Freude am Entdecken.
Doch der Workshop war weit mehr als nur ein Töpferkurs. Er verstand sich als kulturelle Brücke – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Handwerk und Geschichte.



8000 Jahre Keramikgeschichte im Burgenland
Schon zu Beginn machte Wagner klar, dass jede Töpferarbeit in einem größeren Zusammenhang steht. „Angesichts der Location, die wir hier vorfinden – das historische Haus in Baumgarten, das Dr. Karl Kaus gewidmet ist – wollten wir dem Kurs einen historischen Touch geben“, erklärte er.
Dr. Kaus kuratierte in den späten 1980er Jahren auf der Burg Schlaining die Ausstellung „8000 Jahre Keramik im pannonischen Raum“, die bis heute als Referenz gilt. „Keramische Scherben sind die Leitfossilien der Archäologie“, so Wagner. „Anhand der Zierweise, Form oder Brennfarbe lässt sich genau bestimmen, welcher Kulturkreis und welcher Zeitstufe sie zuzuordnen sind.“


Diese Verbindung von Archäologie und Handwerk wurde im Workshop greifbar. Die Teilnehmenden konnten originale Scherben aus der Sammlung betrachten und anschließend selbst an Nachbildungen arbeiten.
Von der Venus bis zur Töpferscheibe
Ein Highlight des Kurses war die Nachbildung der sogenannten Venus von Unterpullendorf, die 1964 vom Hobbyarchäologen Josef Polacsek entdeckt wurde. „Diese Figurinen stammen aus der Jungsteinzeit, sie haben sehr ausladende Hüften – daher nennt man sie Reithosenidolfigurinen“, erzählte Wagner. Solche Figuren wurden vermutlich rituell zerstört, um Göttern zu huldigen oder sie zu besänftigen – ein spannender Einblick in frühzeitliche Glaubenswelten.



Neben der Theorie stand das praktische Arbeiten im Vordergrund. Auf der Ränderscheibe, einem Vorläufer der modernen Töpferscheibe, lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Umgang mit dem Material. „Eine Töpferscheibe dreht sich immer noch“, erklärt Wagner mit einem Schmunzeln, „nur heute elektrisch – früher eben mit Fuß- oder Handantrieb.“
Vom Grubenbrand bis zum Gipsmodell
Auch die Techniken, die in den vergangenen Jahrtausenden entstanden sind, wurden im Kurs nachvollzogen: vom offenen Grubenbrand bis zu den ersten Brennöfen der Eisenzeit. „Ab da beginnt eigentlich die Herstellung höherer Stückzahlen in einer höheren Qualität“, erklärte der Kursleiter.
Für die Praxis hatte Wagner eigens Gipsformen vorbereitet, mit denen Figuren, Schalen und kleine Gefäße entstehen konnten. „Gips entzieht der Tonmasse das Wasser – so verfestigt sich das Objekt“, erläutert er. „Das wäre mit Plastik- oder Metallformen nicht möglich.“
Einige Teilnehmende nutzten diese Technik, um kleine weihnachtliche Figuren oder Schalen zu gestalten. „Das ist ein kleines Zuckerl“, sagte Wagner. „Wir zeigen hier sämtliche Formgebungsverfahren, vom Kernguss über den Hohlguss bis zu einfachen Handaufbauformen.“


Begeisterung bei Jung und Alt
Die Begeisterung war spürbar – bei Jugendlichen ebenso wie bei älteren Teilnehmerinnen. „Ich habe zu Hause schon Teller und Häferl gemacht“, erzählt eine junge Frau. „Aber auf der Töpferscheibe ist es viel schwieriger, als es aussieht.“
Eine andere Teilnehmerin lacht: „Beim Zuschauen schaut das ganz einfach aus – bis man selbst sitzt und der Ton plötzlich nicht das macht, was man will.“

Wieder eine andere, die zum ersten Mal an einem Kurs teilnahm, erzählt: „Ich habe schon in der Schule mit Kindern gearbeitet, aber heute konnte ich mich ganz auf meine eigenen Arbeiten konzentrieren. Es war interessant, was wir über die Geschichte gehört haben – und die Praxis macht richtig Spaß.“
Archäologie zum Anfassen
Für einige war das Interesse am Töpfern eng mit Archäologie verbunden. „Mich interessiert, wie die Menschen damals ihre Gefäße gemacht haben“, sagt eine Teilnehmerin. „Heute war ich das erste Mal an der Töpferscheibe – gar nicht so leicht, aber extrem spannend.“
Besonders begeistert zeigte sich eine Mutter, die gemeinsam mit ihrer Tochter teilnahm: „Es ist einfach entspannend, man kann kreativ sein und gleichzeitig viel lernen. Und der Fritz hat das mit viel Leidenschaft erzählt.“

Kulturaustausch in der Hauptstraße 77
Dass der Kurs im Altenhaus 77 stattfand, verlieh dem Ganzen eine besondere Atmosphäre. Das Haus ist Dr. Karl Kaus gewidmet, dem langjährigen Archäologen, dessen Forschung über die pannonische Keramik bis heute nachwirkt.
Mehrere Teilnehmerinnen sprachen auch auf Kroatisch über ihre Eindrücke: „Ja, bilo je jako zanimljivo – posebno povijest keramike u Burgenlandu“ („Es war sehr interessant, vor allem die Geschichte der Keramik im Burgenland“), sagte eine. Eine andere lachte: „Ne ono što želim, nego što mi uspije“ – Nicht das, was ich will, sondern das, was gelingt.

Fortsetzung im Frühling
Nach dem erfolgreichen Oktoberkurs soll es im Frühjahr 2026 eine Fortsetzung geben. Fritz Wagner arbeitet bereits am neuen Programm und will dabei weitere historische Techniken vorstellen.
„Das Schöne am Töpfern ist“, sagt er zum Abschluss, „dass es uns erdet – im wahrsten Sinne des Wortes. Man hat die Geschichte im Kopf, den Ton in den Händen, und am Ende etwas Eigenes in der Schüssel.“
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