In der ehemaligen Synagoge von Kobersdorf wurde Geschichte spürbar – nicht als ferne Vergangenheit, sondern als lebendige Verpflichtung. Dort verlieh das Land Burgenland seine diesjährigen Wissenschafts- und Kulturpreise. Der Rahmen war bewusst gewählt: ein Ort, der einst Zentrum jüdischen Lebens war und heute Symbol für Erinnerung und Dialog ist.
Durch den Abend führte Nadja Czank, musikalisch begleitet vom ukrainischen Akkordeonisten Ivan Bykov, der mit dem Lied Shalom Aleichem einen stillen Gruß an die Geschichte des Hauses schickte. Landesrat Leonhard Schneemann überbrachte die Grüße von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und sprach von „Engagement, Kreativität und Beharrlichkeit“ als den Kräften, „die das kulturelle Gedächtnis eines Landes tragen“.
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Gerhard Baumgartner – Die Geschichte der Sprachlosen
Den Kulturpreis des Landes Burgenland in der Sparte Wissenschaft erhielt Dr. Gerhard Baumgartner, Historiker und ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Seine Forschungen zur Geschichte der Roma, Sinti und jüdischen Bevölkerung im Burgenland haben internationale Beachtung gefunden.
In seiner Laudatio sagte Georg Pehm:
„Mit seiner Lebensarbeit prägt er das kulturelle Gedächtnis des Burgenlandes, macht die Stimmen der Verfolgten hörbar und leistet einen unschätzbaren Beitrag zur Erinnerungskultur.“
Er zitierte Bertolt Brecht:
„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“
Landesrat Leonhard Schneemann und Historiker Gerhard Baumgartner. Bildquelle: Landesmedienservice Burgenland
Baumgartner nahm den Preis mit sichtbarer Rührung entgegen:
„Ich bin total überrascht von diesem Preis. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, ich finde es wunderschön. Eine große Ehre, muss ich ganz ehrlich sagen.“
Auf die Frage nach seiner Motivation antwortete er mit Offenheit:
„Ich glaube, meine Motivation war eigentlich, dass ich Ungerechtigkeit nicht ertragen konnte. Ich komme aus einer zweisprachigen deutsch-ungarischen Familie, ich gehöre auch einer religiösen Minderheit an, das heißt, ich komme aus einer evangelischen Familie. Das hatte schon so eine Prägung, da wird man sozusagen sehr empfindlich für feine Schmähungen.“
Er erinnerte sich, wie das Schweigen über die NS-Zeit ihn als jungen Mann beunruhigte:
„Eigentlich war es so, dass ich dann im Studium erst darauf gestoßen wurde, was hier im Burgenland, in meiner Heimat, eigentlich los war. Wir haben eigentlich darüber gar nichts gelernt in der Schule. Es haben ja nicht nur die Täter geschwiegen, es haben ja auch die Opfer geschwiegen.“
Ein Buch sei schließlich der Wendepunkt gewesen:
„Wir als eine Gruppe von Studenten haben gesehen, was im Bezirk Oberwart – 5000 deportierte Roma, ermordet, das waren 10 Prozent der Bezirksbevölkerung; 450 Juden vertrieben – wir waren wie vor den Kopf gestoßen. Und das war dann sozusagen ein Einstieg, sich mit der Geschichte stärker zu beschäftigen.“
Und er fügte hinzu:
„Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir uns nicht nur mit der Geschichte der Opfer beschäftigen, sondern auch mit der Geschichte der Täter und mit den Stimmen der Täter. Denn im Endeffekt müssen wir verstehen, wie es dazu gekommen ist, dass Menschen, die sehr lange nebeneinander gelebt haben, unter den Verlockungen der Nazis aufeinander losgegangen sind.“
Margarethe Wallmann – Bildung als Brücke
Mit dem Wissenschafts- und Kulturpreis in der Sparte Erwachsenenbildung wurde Dr. Margarethe Wallmann ausgezeichnet. Sie engagiert sich seit Jahrzehnten in der Bildungsarbeit, unter anderem in der politischen Erwachsenenbildung des Burgenlandes.
Landesrat Schneemann würdigte sie als „eine Frau, die mit Beharrlichkeit und Empathie Menschen befähigt, kritisch zu denken und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen“.
Wallmann selbst betonte in ihrem Dank, wie eng Bildung und Demokratie zusammenhängen:
„Erwachsenenbildung heißt, Räume zu öffnen, in denen Menschen lernen, sich einzumischen. Es geht um Selbstbewusstsein, um Teilhabe – und darum, Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen.“
Ihre Arbeit, so wurde mehrfach betont, habe Generationen geprägt, die das Land in Richtung Offenheit und Dialog verändert haben.
Johannes Reiss – Die Rückkehr des Verdrängten
Den Simon-Goldberger-Preis erhielt Mag. Johannes Reiß, Leiter des Österreichischen Jüdischen Museums in Eisenstadt. Er wurde für sein Engagement in der jüdischen Erinnerungs- und Gedenkkultur geehrt.
Reiß sprach in Kobersdorf über die emotionale Dimension seiner Arbeit:
„Wenn wir in den ehemaligen Synagogen oder auf den Friedhöfen stehen, dann sind das keine toten Orte. Sie erzählen – leise, aber eindringlich – von den Menschen, die hier gelebt haben. Unsere Aufgabe ist es, diese Stimmen hörbar zu machen.“
Sein Wirken, so Schneemann, sei „ein sichtbares Zeichen der Gleichberechtigung“ und trage dazu bei, dass das jüdische Erbe des Burgenlandes wieder Teil des kollektiven Bewusstseins werde.